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Mittwoch, 15. Januar 2014

Neulich im Restaurant




Da denkt man sich nichts Böses und will mit seiner Liebsten einfach mal nett zu Abend essen und gemeinsam entscheidet man sich für das Lieblingsbrauhaus gleich ums Eck.  Ein Tisch ist schnell bestellt und der gemütliche Abend kann beginnen.  Während wir noch in der Entscheidungsphase sind, was wer isst, werden die georderten Getränke gereicht. Das Kölsch steht vor uns und wir lesen mit Ruhe was es denn heute alles gibt. Nicht dass wir etwa nicht schon längst in unserem Inneren wissen was wir essen werden, der Mensch ist schließlich ein Gewohnheitstier, das gilt zumindest für mich. Ich liebe nun einmal das Schnitzel mit dem Fuder Pilzen, während meine Liebste dazu neigt immer neue Dinge zu probieren, vorzugsweise Fisch in allen Variationen, schauen wir dennoch in die Speisekarte, denn man könnte ja auch einmal etwas köstliches übersehen.
Wir bestellen, sie den Fisch, ich das Fuder Pilze mit dem Schnitzel und dazu den Salat.
Während  wir auf unser Essen  warten betritt ein anderes Paar den Gastraum und nimmt am Nebentisch Platz. Er ein gemütlicher 60iger und sie in etwa dem gleichen Alter. Er wirkt eher locker und gelassen, während sie eine typische Zicke ist, die ¾ Hosen trägt und einen Pudel ihr Eigentum nennt. Der Pudel hat Ähnlichkeit mit ihr, oder sie mit ihm, so genau kann man das nicht sagen. Sie mit Klunkern behangen, so dass sie  jedem Christbaum Konkurrenz machen könnte, während er eher ein wenig distinguiert aussieht. Sie legt ihr Handy und die Leine des unerträglich anmutenden Pudels auf den Tisch, während er die Tageszeitung auf den Tisch legt.
Meine Liebste tritt mich unter dem Tisch, was so viel heißt wie … starr da nicht so hin. Ich kann aber nicht anders und muss schon grinsen. Wenn ich allerdings geahnt hätte, was da noch auf mich zukommt, dann hätte ich mir das Grinsen verkniffen und wäre mit meiner Liebsten in  die nächste Bratwurstbude geflohen.
Das Essen wurde serviert, wie immer war alles sehr lecker angerichtet. Während der Ober die Teller und Schüsseln auf unserem Tisch abstellt und ich noch schnell einen lächelnden Blick zu meiner Frau werfe, klingelt das Handy. Nein, es ist nicht meins, es ist auch nicht das meiner Frau, wir telefonieren während des Essens nicht. Nein, es ist das Telefon der ¾ Trägerin und ich höre sie mit einer Stimme keifen, die mir die Nackenhaare in die Höhe treiben.
„Ach, Trudi schön das du anrufst, ich bin hier gerade mit Ben-Georg beim Essen, es war so schwer einen Tisch zu bekommen …“
Ich schaue mich um und stelle fest es sind noch 10 Tische leer zu dieser Stunde. Halblaut sage ich:
„Nee gar nicht hier kann man noch den 1 FC unterbringen.“ Dafür ernte ich einen tödlichen Blick der Nachbarin.
Ich fange an mit meinem Schnitzel und versuche die Unterhaltung am Nebentisch auszublenden. Meine Frau sieht mir meine hilflosen Versuche an und amüsiert sich über mich in ihrer bekannt liebenswürdigen Art. Ich will gerade in mein Schnitzel beißen, da keift es am Nebentisch in den Hörer: „Nee Trudi dat Chantal, von der Olschewski ist jetzt im Pudelsalon, du kannst dir nicht vorstellen, was die mit dat Berta gemacht hat. Unser Berta ist nun ganz und gar versaut, der Schnitt passt gar nicht zu ihr …“
Ich schaue in Richtung Tisch der Nachbarn und sehe da den Pudel sitzen, der aussieht als sei er unter einen Rasenmäher geraten und dann noch eingefärbt in hellem Blau oder Bleu mit einem Hauch von Flieder. Ich schlucke schwer an meinem Schnitzel und meine Frau lächelt mir aufmunternd zu.
„Schmeckt es dir Schatz?“ Ich schlucke den Bissen hinunter und murmele: „Ohne den gierigen Blick des arglistig wirkenden Pudels würde es mir besser schmecken und ohne Chantal die Pudeltrimmerin.“
Meine Frau beginnt schallend zu lachen. Die ¾ Trägerin kreischt genau in dem Moment los. Was denn dieses affige Lachen soll, das sei nicht lustig.
Ich schaue konsterniert zu der Dame herüber und frage sie, was sie denn für eine Vertreterin sittlicher Indifferenz sie sei. Meine Frau schaut lächelnd auf ihren Teller und bemerkt dann zu mir: „Schatz der Fisch ist wirklich köstlich.“
Ich wende mich wieder meinem Schnitzel zu und höre wie erstarrt die Teile des Gespräches dieser Person.
Nach dem ich nun weiß das der Pudel ruiniert ist, man in dem Restaurant was halb leer ist, nahezu Stunden auf einen Tisch warten muss, man am nächsten Tag zum Frisör muss, das die Nachbarin Käthe wieder zu laut mit ihrem Papagei gesprochen hat,  das Onkel Herbert Rheuma hat, die Tochter einen Chinesen liebt und der 3 Enkel ein mathematisches Genie ist, Tante Agatha sich das Rauchen abgewöhnt hat, weil sie nun Lungenkrebs hat und die besagte ¾ Trägerin demnächst nach Bad Hohenlohe zur Kur aufbricht, habe ich mein Schnitzel vertilgt, meine Frau ihren Fisch und ich verlange genervt die Rechnung. Während am Nebentisch das Essen aufgetragen wir, der Pudel bekam auch ein Gericht, es war das jüngste was der Koch eigens kreiert  hat und ich  mir dachte, der Abend hätte so schön sein können. Noch während wir aufstanden warf ich einen Blick auf den Mann, der schweigend die Zeitung las und ich musste fast wie unter Zwang leise  zu ihm sagen: „Wenn sie mal eine gute Scheidungsanwältin brauchen, ich kenne da eine …“
Er lächelte mich an und sagte dann: „ Sie glauben doch nicht, dass ich mit so einer exponierten Dame verheiratet wäre, das ist nur meine Schwester und meine Frau hat schon seit Jahren immer an diesem Tag Migräne, wenn meine Schwester Geburtstag hat.“  Ich lächelte und grinste zu meiner Frau die langsam in Richtung Ausgang verschwand …